Relative Wahrheit: Heute schon eine Bank ausgeraubt?

"Pilatus spricht zu ihm: Was ist Wahrheit?"
Johannes 18,38

Spätestens seit der Philosoph Hegel die Dialektik erfunden hat, gibt es keine absolute Wahrheit mehr. Vielmehr ist alles relativ. Aus These "Schwarz" und Antithese "Weiß" wurde die Synthese "Grau." In der Tat: Ohne einen Gott, der sagt, was wahr ist, was Schwarz und Weiß ist, ist alles mehr oder weniger grau.
Na und? mag man fragen. 
Die Leute sind sich nicht immer einig, so what? Solange für meinen Computer eine 0 eine 0 und eine 1 eine 1 ist und solange das Ja meiner Geschäftspartner ein Ja ist und ihr Nein ein Nein, ist mir das egal.
Wer so denkt, verkennt das Problem, das die Abschaffung der Wahrheit mit sich bringt, wenn der Glaube, dass alles relativ ist, eine Gesellschaft und ihre Institutionen zu prägen beginnt. Denn dieser Glaube führt geradewegs in die Willkür.
Ein Beispiel.
Andrej Wyschinski war Generalstaatsanwalt der Sowjetunion zur Stalin-Zeit. Er hielt 1937 ein unter Fachleuten berühmt gewordenes Referat, indem er darlegte, dass es der Menschheit niemals möglich sei, die absolute Wahrheit zu finden, und sie sich mit der relativen begnügen müsse.
Wenn nun also Gericht und Untersuchungsbehörde ermitteln, dann kann auch die von ihnen gefundene Wahrheit niemals absolut, sondern immer nur relativ sein. Daher ist, wenn ein Todesurteil zu unterschreiben ist, die absolute Sicherheit der Schuld des Hinzurichtenden niemals gegeben, sondern immer nur in einem bestimmten Annäherungsgrad, unter bestimmten Annahmen, in einem bestimmten Sinne. Die Suche nach absoluten Indizien und untadeligen Zeugen ist mithin Zeitverschwendung.
Der Mann offenbart sich hier als brillanter Dialektiker.
Wenn also der weltanschaulich gefestigte Staatsanwalt jemanden wegen eines Bankraubs anklagt, obwohl 100 Zeugen sagen, dass der Angeklagte zum fraglichen Zeitpunkt auf einer Bühne stand und eine Rede hielt, und es davon 1000 Bilder gibt—und die Bank überhaupt keinen Bankraub angezeigt hat—dann heißt das noch lange nicht, dass der Angeklagte nicht doch Bankraub begangen hat. Denn die Bank und die 100 Zeugen und die 1000 Bilder könnten ja alle lügen. Sie könnten Teil eines gewaltigen Komplotts sein, einer Verschwörung von Feinden des Fortschritts.
Unwahrscheinlich, aber weiß man's? Der Angeklagte hat schließlich alles gestanden.
Zwar unter Folter.
Doch was ist Folter?
Folter ist relativ.
Genosse, hab dich nicht so. Was einen nicht umbringt, macht einen härter. (Ich habe vergessen zu erwähnen, dass Wyschinski der Architekt der berüchtigten Moskauer Schauprozesse war, in denen Kommunisten Kommunisten dramatisch und telegen zum Tode verurteilten).
Der Herr Generalstaatsanwalt legte dem Untersuchungsrichter als solchem ans Herz, Schuldbeweise, ohne Indizien und ohne Zeugen zu finden, "gestützt nicht bloß auf seinen Verstand, sondern auch auf seinen Parteiinstinkt, seine moralischen Kräfte und seinen Charakter."
Wyschinski vertrat als Relativist die Ansicht, dass alles Recht Ausdruck des Willens der herrschenden Klasse sei. (Wer die Macht hat, hat recht). Er hatte keinerlei Skrupel, erfolterte Geständnisse als gültige Schuldbeweise anzuerkennen. Und so führte der Glaube, dass die Wahrheit relativ ist, zu Folter und Tod von Millionen.
Doch die Wahrheit ist nicht relativ. Die Wahrheit hat einen Namen.
Jesus.
Wohl dem, der das nicht vergisst.
Und nie darf das Recht zum Druckmittel der Mächtigen degenerieren.
Die Mächtigen werden sich eines Tages vor einem Mächtigeren rechtfertigen müssen.
Wohl dem, der auch das nicht vergisst.
Zu Wyschinski und Leuten wie ihm sagt Jesus: "Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun. Jener war ein Menschenmörder von Anfang an und stand nicht in der Wahrheit, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben." (Johannes 8,44).
Zu uns sagt Jesus:

"Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich." (Johannes 14,6).

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