Donna-Donna, das Kalb und die Schwalbe
"Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich,
wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das
Reich Gottes nicht sehen."
Johannes 3,3.
In den Tagen und Wochen vor meiner Bekehrung 1982 befand ich mich
in einer seltsamen Stimmung. Mir war, als geschähen gerade große und
dramatische Dinge, die ich jedoch nicht greifen konnte. Etwas lag in der Luft,
das ich nicht verstand, etwas Sinistres, das sich anbahnte wie ein Gewitter. Ich
kam mir vor wie ein Mastkalb hinten im Bauernwagen auf dem Weg zum Markt. Viel
lieber wäre ich die Schwalbe gewesen, die hoch über den Bauernwagen drüberfliegt
und keine Vorahnungen hat von Märkten und Verkäufen und Schlachtungen.
Sehr poetisch, nicht?
Diese kitschi malerische Metapher stammt nicht von
mir.
Ich pflegte damals einen Drogenlifestyle und hörte die
entsprechende Musik. Ein Lied, das es mir besonders angetan hatte, war „Donna,
Donna“. Wer genau das damals auf meinem alten Kassettenrekorder gesungen hat,
Leonard Cohen, Joan Baez, Donovan, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls habe ich mir
das Stück seinerzeit auf der Gitarre beigebracht. (Es ist ziemlich einfach).
In dem Lied geht es um: ein Mastkalb hinten im Bauernwagen
auf dem Weg zum Markt. Das Kalb blickt mit traurigen Augen auf zur Schwalbe,
die mit flinken Flügeln durch den Äther flitzt. Dazu lachen die Winde mit
ganzer Macht, den ganzen Tag und die halbe Sommernacht.
Der Refrain ist dann der Liedtitel: Donna Donna.
Im zweiten Vers sagt der Bauer zum Kalb: Hab dich nicht so.
Warum bist du auch ein Kalb geworden? Warum hast du keine Flügel, um so zu
fliegen wie die Schwalbe, stolz und frei?
Dann lachen wieder die Winde das Kalb denkt sich vermutlich:
Was für eine dämliche Frage. Ich hätte ja gern welche und wäre gern eine, aber
ich habe keine und bin keine. Ich bin ein Kalb mit Vorahnungen, keine Schwalbe,
die den Himmel stürmt.
In Vers drei heißt es: Kälber sind leicht zu binden und zu
schlachten, never knowing the reason why. Die kapieren nicht, wie ihnen
geschieht. Doch wer die Freiheit schätzt, hat gelernt zu fliegen wie eine
Schwalbe.
♫ Donnadonna Donna Do-o-nnaa, Donnadonna Do-nna Do. ♫
Ich hatte keine Ahnung, für wen die „Donna“ steht. Denn eine
Frau kommt in dem Lied ja nicht vor. Erst Jahrzehnte später fand ich heraus,
dass diese Ballade 1941 von Scholom Secunda (Musik) und Aaron Zeitlin (Text) auf
jiddisch geschrieben wurde, (Dos Kelbl), und dass Donna, (oder Dona), die vulgärsprachliche
Form des Wortes Adonai ist.
Adonai ist hebräisch und bedeutet: Herr.
In der Bibel wird damit oft Gott der Herr gemeint.
Ich sympathisierte also mit dem Kalb, das gern eine Schwalbe
gewesen wäre, aber keine werden konnte, und schmetterte mit meinen düsteren Vorahnungen
das hoffnungsvolle Wort Donna, ohne zu wissen, dass es sich dabei um eine
Anrufung des biblischen Gottes handelt.
Und dann sind die Dinge, die ich im letzten Post beschrieb,
passiert.
Und ich bekehrte mich.
Bei einer Bekehrung im biblischen Sinn handelt es sich um
eine Auferstehung des in Sünden toten Geistes eines Menschen. Er wird von neuem
geboren.
Das Kalb verwandelt sich in die Schwalbe.
Der Strick fällt ab, die Flügel wachsen, die dunklen
Vorahnungen verfliegen und die Freude an der Erlösung nimmt ihren Platz ein.
"Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine
neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden." (2
Korinther 5,17).
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