Mit Kanonen auf volksverhetzende Spatzen

„Auch in deinen Gedanken fluche nicht dem König und in deinen Schlafzimmern fluche nicht über den Reichen! Denn die Vögel des Himmels könnten die Stimme entführen und was Flügel hat, das Wort anzeigen.“
Prediger 10, 20.

Volksverhetzung ist eine schlimme Sache.
Wenn sich ein selbstsicherer General (wie einst Caesar oder Bonaparte) oder ein populärer Politiker (wie einst Thälmann oder Hitler) vor die Massen hinstellt und die andere Seite pausenlos bis ins Bodenlose herabwürdigt, (wie die Medien den ollen Trump), dann kann das Hassgefühle im Volk erzeugen. Oder Überlegenheitstendenzen.
Wenn er dann zu einem geeigneten Zeitpunkt seine fanatisierten Nachfolger zu robusten Taten aufruft und, Säbel in der Hand, im Fackelschein vor den mistgabelschwingenden Horden auf den Palast zumarschiert, dann kann es zu spät sein.
Dann kann es zur Revolution kommen.
Deswegen bewahre man das Volk davor, verhetzt zu werden.

Momentan ist jedoch nicht mehr nötig, das Volk tatsächlich zu verhetzen, um wegen Volksverhetzung verurteilt zu werden. Das Volk kann gelangweilt gähnen: Ein bescheuerter Post auf irgendeiner obskuren Webseite, die kein Mensch je liest, reicht heute schon.
Denn Denunzianten mögen vielleicht verhasst sein. Diese stets die richtige Gesinnung signalisierenden Tugendbolde sterben trotzdem nicht aus. Früher haben sie Frauen als Hexen denunziert, Juden oder Klassenfeinde angezeigt, heute durchforsten sie in ihrer scheinbar reichlich vorhandenen Freizeit das Internet, um dort falsche Meinungen auszumerzen. Die Denunzianten. Diese aufrechten Streiter für Recht und Gerechtigkeit.

Was ist geschehen?
Abermals wurde jemand im Gericht unserer Stadt wegen Volksverhetzung verurteilt. Diesmal zu 20 gemeinnützigen Arbeitsstunden und 1750 € Geldstrafe. Das ist ganz schön happig. Für neun (9) Worte unerwünschter Meinungsäußerung.
Was war das Verbrechen?
Die (mir völlig unbekannte) Küchenhilfe hatte irgendwo im Internet einen in der Tat unsäglichen Post abgelassen. Ich werde ihn hier nicht wiedergeben, so widerlich ist er. Er reflektiert auch in keinster Weise meine eigene Meinung. Niemand sollte so über seine Mitmenschen reden. (Es ging darin um ein bestimmtes Lager und Duschen und Migranten).

Die Werbezeitung, der ich diese Informationen entnehme, hatte jedoch überhaupt keine Bedenken, diesen unsäglichen Post, alle neun Worte, am Anfang ihres Artikels in voller Länge zu zitieren.
Offenbar glauben die Redakteure dieser Werbezeitung überhaupt nicht an die volksverhetzende Kraft dieser Worte.
Sonst hätten sie sie ja nicht Wort für Wort gebracht.
Hätte dieser Post wirklich die ihm unterstellten schädlichen Kräfte, müsste man ihn sofort zensieren, indem man ihn eben NICHT zitiert. Man müsste ihn einschließen, diesen Post, und hinter ihm die Tür verriegeln, damit ihn nie mehr jemand zu Gesicht bekommt.
Stattdessen zitieren die den Quatsch wortwörtlich. Und das bei einer Auflage von 221.400 Exemplaren. Ich behaupte, erst die Zeitung hat diesen volksverhetzenden Post einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht.
Ist dieses Werbeblatt nun Handlanger für Volksverhetzung?
Oder nur Pranger?

Staatsanwalt und Richter war natürlich angemessen entsetzt (über die Küchenhilfe, nicht über die massenweise Verbreitung des Posts durch die Zeitung), und verurteilten sie zu einer Strafe, die meines Erachtens in keinerlei Verhältnis zur Tat steht. Es entsteht vielmehr der Eindruck einer juristischen Normen-Übererfüllung: Ein loses Mundwerk zu Ausländern oder Asylanten darfst du auf keinen Fall haben. Auch wenn du vielleicht tatsächlich ihr Opfer geworden sein solltest. Dieses Vorgehen wird jedoch, fürchte ich, nicht das gewünschte Ergebnis zeitigen. Denn die richtige Gesinnung kann man nicht herbeistrafen. Dazu müsste man ehrliche Überzeugungsarbeit leisten und auch Unangenehmes deutlich benennen.
Und Positives deutlich unterstreichen. Denn das gibt's ja auch. Es waren mutige Moslems, die den palästinensischen Spontan-Dschihadisten, der am 28.7.2017 in einem Hamburger Edeka die Leute abstach, gestoppt haben. Unter diesen Migranten sind auch ganz feine Leute, die niemandem Böses wollen. Und nicht wenige, die in der Tat zu Jesus finden.
Zurück zu unserer Küchenhilfe.
Was hätte man mit ihrem idiotischen Post machen sollen?
Löschen. Augenblicklich.
Die Frau ermahnen: „Beim nächsten Mal...“ Und heimschicken. Denn sie ist in keinerlei Position, das Volk zu verhetzen. Dazu fehlen ihr die Leser, die Hörer, das Programm, die Mittel. Und wohl auch der Horizont.

Es gibt im Internet durchaus Orte, an denen tatsächlich gehetzt wird, wo im Ernst zu robusten Aktionen aufgerufen wird. Li nksunten.ind ymedia.org fällt mir spontan ein. Nach Lektüre der richtigen Posts, verfasst von den richtigen Leuten, gehen dann tatsächlich Autos in Flammen auf. (Siehe Hamburg, Schanzenviertel, anlässlich des G 20 Gipfels). Von diesen Seiten liest man erstaunlicherweise kaum.
Da könnte man Volksverhetzung erkennen. Warum lässt man die gewähren?
Gut, die sind nicht ganz so harmlos wie gewisse Küchenhilfen mit ihren unsäglichen neun Worten. Warum Feuerteufel angreifen, wenn andere Frucht, an der man rigoros Gerechtigkeit demonstrieren kann, so niedrig hängt?

Dem gottlosen alten Voltaire wird die Aussage zugeschrieben: "Ich mag deine Meinung nicht teilen, doch ich würde dafür sterben, daß du sie sagen darfst."
Nun ist mir klar, daß ein idiotischer Auschwitzpost keine verteidigungswürdige Meinung darstellt. Trotzdem beunruhigen mich solche Urteile. Meinungsfreiheit ist ein kostbares Gut. Wir haben hierzulande keine besonders belastbare Tradition der Meinungsfreiheit. Die wahre Gefahr geht von besser organisierten Gruppen aus. Darum: Verliert nicht Maß und Ziel beim Bestrafen abscheulicher, aber wohl nicht ernstgemeinter Internetmeinungen einzelner.

Manch einer sollte sowieso viel weniger posten.

Für uns Christen gilt jedenfalls:
„Kein faules Wort komme aus eurem Mund, sondern nur eins, das gut ist zur notwendigen Erbauung, damit es den Hörenden Gnade gebe.“ (Epheser 4, 29).

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heiligenfiguren

Betrunken im Heiligen Geist

Bauerngebet zu Neujahr am 7.1.2024