Martin Luther, Bösewicht?

„Sie hörten ihm aber zu bis zu diesem Wort und erhoben ihre Stimme und sagten: Weg von der Erde mit einem solchen, denn es darf nicht sein, daß er lebt.“
Apostelgeschichte 22, 22.

„Pastor, heuer ist Lutherjahr. Dabei war Luther ein übler Antisemit und ein Vorläufer von Hitler. Fast genauso schlimm.“

Solche Aussagen verkürzen den Blick auf Luther doch sehr.
Denn sein Hauptanliegen war bekanntlich nicht die Ausrottung der Juden—davon war bei ihm nie die Rede—sondern die Erlangung des Heils in Christus und die Erneuerung der Kirche.
Luther hat mit Hitler nichts zu tun.
Der eine übersetzte die Bibel auf Deutsch und predigte den rettenden Glauben an das Erlösungswerk Jesu Christi.
Der andere schrieb „Mein Kampf“ und gerierte sich selber als völkischer Messias, an den das deutsche Volk zu glauben habe.
Der eine führte Millionen von Menschen in eine lebendige Beziehung mit Gott.
Der andere ermordete Millionen von Menschen und legte Europa in Schutt und Asche.
Der eine diente dem Leben, der andere dem Tod.
Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein.
Wenn man unbedingt eine Beziehung zwischen den beiden herbeifaseln will, dann gilt: Luther ist der Anti-Hitler, Hitler der Anti-Luther—auch wenn Hitler einst selbstgefällig feststellte, dass die Deutschen nur einem einzigen anderen so zu gejubelt hätten wie ihm: Luther.
Scheinbar war die Deutschen 1517 völlig anders drauf als 1933.

Als John Wesley einst in London die Vorrede Luthers zum Römerbrief hörte, wurde ihm seltsam warm ums Herz und er brach zum lebendigen Glauben durch. Predigend und lehrend durchzog er darauf hin England, verhinderte so eine Revolution wie die französische, und gründete die Methodistenkirche.
Ohne Luther keine Methodisten.

Luther nahm bekanntlich kein Blatt vor den Mund. Political Correctness sucht man bei ihm (glücklicherweise) vergebens. Und es ist richtig, dass er über die Juden zum Schluss ziemlich unschöne Dinge gesagt hat, Dinge, die fast so derb waren wie die, die er über das „keiserliche Bapstum“ und „Mahomet, Türcken und Saracener“ abgelassen hat.
Beide, Türck und Bapst, waren für ihn beierbeiter des Teuffels vnd des endechrist.
Noch sein letztes Buch hieß „Wider das Papsttum, vom Teufel gestiftet.“
Er geißelte das überhebliche Verhalten der Fürsten in seiner Schrift „Ermahnung zum Frieden“ und wetterte „Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bawren“, als diese in den Bauernkriegen Gräueltaten verübten.
Dr. Martin mag ein derber Typ gewesen sein, er war ein Kind seiner Zeit. Er eckte bei allen an und machte es keinem leicht.
Ein Nazi war er keiner.
Wer so etwas vorbringt, verstellt den Blick auf das eigentliche Werk des Reformators. Und das kann sich sehen lassen.

Und noch etwas:
Der Kaiser belegte Luther mit der Acht, der Papst mit dem Bann. Der Mann war vogelfrei. Jeder, der wollte, hätte ihn töten können, ohne deswegen wegen Mordes verurteilt zu werden. Dennoch entfaltete Luther ein gewaltiges Potenzial. Niemand konnte ihn einhegen. Er revolutionierte die Kirche und die Welt.
Denn es stimmt schon:

„Der Herr ist mein Helfer, ich will mich nicht fürchten. Was soll mir ein Mensch tun?“ (Hebräer 13, 6).

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