Die Volkskirche und ihre schiefen Ebenen
„Er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie
ihre Schriftgelehrten.“
Matthäus 7,29.
Die Schriftgelehrten zur Zeit Jesu zeichneten sich durch
eine außergewöhnliche Fähigkeit zur Differenzierung—ja zur Triangulation aus.
Sie stellten eine Meinung in den Raum und argumentierten dann so kleinteilig,
dass am Ende ihres Vortrags auch das Gegenteil ihrer anfänglich postulierten
Meinung wahr sein konnte—und noch eine weitere.
Was die Schriftgelehrten nämlich auf gar keinen Fall wollten,
war anecken.
So kam es, dass sie genaugenommen gar keine Meinung hatten,
sondern in einem fort die Koryphäen ihrer jeweiligen theologischen Denkschule zitierten.
Quasi zur Rückversicherung, falls doch mal was Kontroverses aus ihrem Mund
entfleuchte.
„Rabbi Akiba sieht das so, Rabbi Hillel dagegen behauptet im
Gegensatz zu Rabbi Schammai was Rabbi Menachem im Babyloner Talmudgespräch mit
Rabbi Elijahu vor 27 Jahren so gesehen hat…“
Es muss zum Haareausraufen gewesen sein.
Zum Haareausraufen war mir in diesen Tagen, als ich ein
evangelisches Magazin in die Hand bekommen habe. Eine richtig große Nummer der
evangelischen Szene sagt darin wörtlich, „Zur Lösung von Konflikten taugen
Waffen ganz bestimmt nicht.“
Das ist linker Mainstream und war aus seinem Mund nicht
anders zu erwarten.
Doch sein nächster, unmittelbar folgender Satz lautet, „Aber
zum Schutz von unmittelbar bedrohten Menschen, so wie wir ihn in einem
funktionierenden Staat von der Polizei erwarten dürfen, dazu können Waffen unverzichtbar
sein.“
Waffen taugen also nicht zur Lösung von Konflikten, außer
wenn sie zur Lösung von Konflikten unverzichtbar sind.
Alles klar.
Der Mann möchte gern pazifistisch rüberkommen, dabei aber nicht
unvernünftig klingen, (wobei aber Menschen, die unmittelbar bedroht werden, in
den seltensten Fällen von bewaffneten Polizisten geschützt werden können. Die
befinden sich dann nämlich meistens weit weg. Doch egal). Er möchte niemanden erschrecken.
Ich verstehe das.
Er möchte den Kuchen irgendwie essen und gleichzeitig auf
dem Teller behalten.
Auf gar keinen Fall will er, dass jemand denkt, er fände
Waffen irgendwie gut.
Eine Seite weiter kommt eine weitere richtig große Nummer zu
Wort. Diese Dame hat zwar ihren exponierten Job in der evangelischen Kirche aus
nachvollziehbaren Gründen verloren. Doch sie wird in der Szene noch immer gern
gehört. Sie sagt: „Das Christentum ist eine globalisierte Bewegung.“
Vollkommen richtig. Unanfechtbar.
Doch unmittelbar darauf kommt folgendes: „Wir sehen uns als
Volk aus allen Völkern, nicht nur als eines von Glaubensgeschwistern.“
Wie meinen?
Christen sehen sich nicht nur als Volk von
Glaubensgeschwistern?
Das Volk aus allen Völkern, der Leib Christi, ist genau das
und nichts anderes: Ein Volk von Glaubensgeschwistern. Denn der Glaube an Jesus
begründet diese Verwandtschaft ja. Ohne Glauben wären wir keine Geschwister.
Die Christen, ein Volk aus allen Völkern, das sich nicht nur
als ein Volk von Glaubensgeschwistern begreift…?
Was soll das sein?
Gehören alle irgendwie Religiösen zu diesem Volk?
Ich denke, ich weiß was die gute Frau meint: Sie will
niemandem auf den Schlips treten, sondern freundlich rüberkommen. Gut halt. Andere
Religionen sollen sich auf gar keinen Fall ausgegrenzt fühlen. Das Christentum
ist dann zwar ein exklusiver Verein, aber so exklusiv dann auch wieder nicht,
dass da nicht auch noch Platz wäre für Menschen, die alles mögliche glauben.
Sämtliche Ansagen erschöpfen sich in einem wohlmeinenden
Humanismus.
Dieses wolkige Gelaber, diese Beliebigkeit ist es, die
Gevatter Luthers einst machtvolle Volkskirche killt.
Kein Wunder, dass Kirchen, die selbstgerechten Humanismus
predigen, an Schwindsucht leiden.
Diejenigen Kirchen jedoch, die das Wort Gottes verkündigen
und ihre Hoffnung auf den Herrn setzen, die haben weltweit Zulauf.
Unabhängig vom Herrn kann die Welt ihre Probleme nicht
lösen. (Dem gottfernen, in seiner humanistischen Ideologie gefangenen Deutschland
werden gegenwärtig auf erschütternde Weise die Grenzen seiner Rationalität
aufgezeigt).
Jesus macht den Unterschied.
Das anzuerkennen ist der springende Punkt.
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