Urlaub und verpaßte Chancen
"Siehe, ich löse dich heute von den Ketten, die an deinen Händen sind. Wenn es gut ist in deinen Augen, mit mir nach Babel zu kommen, so komm, und ich werde mein Auge auf dich richten. Wenn es aber übel ist in deinen Augen, mit mir nach Babel zu kommen, so laß es. Siehe, das ganze Land ist vor dir. Du kannst gehen, wohin du willst.
Und da er sich noch nicht dahin oder dorthin wenden wollte, sagte er: So kehre zurück zu Gedalja, dem Sohn Ahikams, des Sohnes Schafans, den der König von Babel über die Städte Judas als Statthalter eingesetzt hat, und wohne bei ihm mitten unter dem Volk! Oder wohin irgend es recht ist in deinen Augen zu gehen, dahin gehe! Und der Oberste der Leibwache gab ihm Wegzehrung und ein Geschenk und entließ ihn.
Jeremia 40, 4-5
Der Prophet Jeremia sprach in diesen Tagen zu mir.
Und da er sich noch nicht dahin oder dorthin wenden wollte, sagte er: So kehre zurück zu Gedalja, dem Sohn Ahikams, des Sohnes Schafans, den der König von Babel über die Städte Judas als Statthalter eingesetzt hat, und wohne bei ihm mitten unter dem Volk! Oder wohin irgend es recht ist in deinen Augen zu gehen, dahin gehe! Und der Oberste der Leibwache gab ihm Wegzehrung und ein Geschenk und entließ ihn.
Jeremia 40, 4-5
Der Prophet Jeremia sprach in diesen Tagen zu mir.
Jeremia lebte unter schwierigen Leuten in schwierigen
Zeiten.
Aufgrund der großen Bosheit des Volkes predigte er praktisch
dauernd Gericht, bis die Leute ihn spöttisch „Schrecken ringsum“ nannten und
ihn nicht mehr ernstnahmen.
Doch eines Tages passierte tatsächlich, was Jeremia die
ganze Zeit über geweissagt hatte: Nebukadnezar, der König von Babylon, kam und
eroberte Jerusalem. Viele Menschen starben damals und diejenigen, die
überlebten, wurden in Ketten gelegt und machten sich auf den Weg nach Babel.
Nun traf es sich, dass Nebukadnezar, der Herrscher der Welt,
von dem berühmten Propheten gehört hatte. Er hatte vernommen, dass Jeremia
gepredigt hatte, was soeben geschehen war: Nebukadnezar würde Jerusalem
einnehmen. Beeindruckt sandte der König den Obersten seiner Leibwache aus um
Jeremia ein Angebot zu machen.
Propheten wie Jeremia befahl man nichts, man machte ihnen
Angebote.
Der oberste Soldat Babels kommt nun und findet Jeremia, der
müde und hungrig und mit Ketten beschwert inmitten der anderen Judäer wandert.
Der Babylonier ließ ihm sofort die Ketten entfernen und übermittelte
Nebukadnezars Angebot: Du bist frei zu gehen wohin du willst. Doch wenn du mit
mir nach Babel kommst, dann richte ich mein Angesicht auf dich und du kannst in
Babel frei leben.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Der mächtigste Herrscher seiner Tage bietet dem größten
Propheten seiner Zeit quasi eine Position als Berater bei Hof an. Jeremia
bekommt hier ein Angebot, das fast schon zu gut ist um wahr zu sein. Als
Berater des Königs hätte er natürlich ausgesorgt. Er würde sicherlich in eine
Position wie später Daniel aufsteigen. Vielleicht wären er und Daniel sogar ein
dynamisches Duo am Hof des Königs geworden.
Doch Jeremia kann sich aus irgendeinem Grund nicht
entscheiden, ob er nun Gottes Mann in Babylon sein oder lieber im ruinierten Judäa
bleiben will. Nun, einen Obersten Babylons kann man nicht ewig warten lassen.
Wenn man sich da nicht entscheidet, dann entscheidet der Oberste für einen und
die Entscheidung wird einem abgenommen.
So geschieht es nun Jeremia.
Als der Oberste der Leibwache sieht, dass Jeremia sich nicht
entscheidet, entscheidet er für ihn und schickt ihn zurück zum Statthalter von
Juda. (Fantastische Angebote von mächtigen Königen hat man begeistert
anzunehmen, oder es wird nichts). Der König zieht weiter und Jeremia bleibt
zurück.
Das war außerordentlich bedauerlich. Denn der Statthalter von
Juda wird innerhalb weniger Tage ermordet, ein kleiner Bürgerkrieg bricht aus,
und Jeremia befindet sich plötzlich gezwungenermaßen auf dem Weg nach Ägypten,
wo er nie hinwollte. Auch der Segen Gottes ist dort nicht zu haben. Jeremia
weissagt sogar ausdrücklich gegen diese Reise nach Ägypten. Doch das Volk
schert sich wie gewohnt nicht um das, was der Prophet auszurichten hat.
Warum hat sich Jeremia damals nicht entscheiden können?
Ich bin mir sicher, dass die Erschöpfung, körperlich wie
mental, eine herausragende Rolle gespielt hat. Jeremia war hungrig, er war
durstig, er schlappte durch den Staub, niedergedrückt von schweren Ketten.
Plötzlich soviel „Glück“ angeboten zu bekommen war zu viel für ihn, wie es
scheint. Er war so an Enttäuschung und Melancholie gewöhnt, dass er die
Gelegenheit nicht beim Schopf zu packen vermochte, als sie sich einstellte.
Seine Melancholie, sein ständiges Blicken auf die Probleme
im Volk, waren der andere Grund. Jeremia litt Tag und Nacht ohne Unterbrechung
an der Sündhaftigkeit seines Volkes. Wer seinen Blick immer nur auf dem
Schlechten ruhen lässt, der muss zwangsläufig irgendwann trübsinnig werden.
Man muss sich auch einmal einen Sabbat von den Krisen gönnen.
Jesus tat dies.
Niemand wusste besser Bescheid über die Verlorenheit der
Menschen. Dennoch machte er ziemlich regelmäßig Urlaub und zog sich zurück von
der notleidenden Menge, um seine Batterien wieder aufzuladen.
Wenn Jesus dies tun musste, was müssen dann wir?
Schönen Urlaub noch.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen