"1984"



„Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Aufrichtigkeit ist Zepter deines Reiches.“
Hebräer 1, 8

Anlässlich der anstehenden Wahl eines sozialistischen Hardliners zum Ministerpräsidenten von Thüringen habe ich dieser Tage ein paar Abende damit verbracht, mal wieder „1984“ von George Orwell zu lesen. („Big Brother is watching you!") Es gehört zur Gattung der dystopischen Literatur, was bedeutet, dass einem beim Lesen fröstelt, weil die entworfene Welt so realsozialistisch kalt und öde ist, und dass alles, was schiefgehen kann, auch schiefgeht—und schief bleibt.
Happyend?
Gibt's keins.
Orwell schrieb das Buch Ende der vierziger Jahre unter dem Eindruck Stalins und des Einparteienterrors der Sowjetunion.
In „1984“ gibt es auf der Welt nur noch drei sich ständig bekriegende Superstaaten, (Oceania, Ostasia und Eurasia), die jeweils von einem unnahbaren, möglicherweise sogar fiktiven, großen Führer (Big Brother) und seiner Partei (Ingsoc: English Socialism) totalitär beherrscht werden.
Alle Menschen sind isoliert. So etwas wie Freundschaft ist aufgrund der ständigen Gesinnungsschnüffelei praktisch nicht mehr möglich.
Die schlimmsten Feinde der Menschen sind ihre eigenen Kinder, die als gehirngewaschene Agenten des Staates die eigenen Eltern überliefern.
Der allerschlimmste Feind ist jedoch die Denk-Polizei. Denn in Oceania sind Gedanken bereits Taten und werden als solche geahndet. Und wer das Falsche denkt, läuft Gefahr, verdampft zu werden. Er wird aus dem großen Bild der Gesellschaft herausretuschiert. Er hat dann nie existiert.
„Die Partei“ kontrolliert jeden Aspekt des Lebens der Bürger dieses Staates. In jedem Zimmer eines jeden Hauses hängt ein Telescreen, ein TV, der einen ständig volllabert und den man nicht abschalten kann—und der gleichzeitig, wie ein guter Smart-TV, mittels Kamera einen Blick ins Zimmer gewährt. Die Überwachung ist komplett, und damit die Gleichschaltung der gesamten Gesellschaft.

Die Partei schult die Parteimitglieder unter anderem in Neusprech, Doppeldenk, Hass und Triebverleugnung.
Neusprech ist ein Neuentwurf der Sprache, der bestimmte Gedanken undenkbar machen soll. So wird etwa die Definition des Wortes „Freiheit“ eingeschränkt. Ein Hund kann frei von Läusen sein, ein Bürger jedoch nicht frei in seiner Lebensgestaltung. Das vermag er nicht einmal zu denken. Neusprech verleiht Denkverboten sprachliche Struktur.
Doppeldenk ist ebenfalls eine phänomenale Erfindung. Es ist die politisch nützliche Fähigkeit, zwei einander widersprechende Überzeugungen gleichzeitig zu haben, etwas gleichzeitig für wahr und für unwahr zu halten. So weiß jeder, dass die Partei immer Recht hat, obwohl jeder weiß, dass sie ständig lügt.
2 + 2 = 5.
Krieg ist Frieden.
Freiheit ist Sklaverei.
Ignoranz ist Stärke.
(Sag nicht ich. Das sind Slogans der Partei).

Die Partei lehrt die Wandlungsfähigkeit der Vergangenheit. (Ganz wichtig!). Entsprechend werden Zeitungen und Geschichtsbücher im Ministerium für Wahrheit ständig angepasst. Die Vergangenheit wird einfach umgeschrieben wie man's braucht. Personen, die gestern noch im Rampenlicht standen, haben ab heute nie existiert. Unrechtsstaaten werden nachträglich zu Rechtsstaaten. Und wehe jemand behauptet was anderes!

Der Held des Buches lehnt sich natürlich gegen dieses Terrorsystem auf und scheitert zum Schluss. Er verlässt Raum 101 im Ministerium für Liebe als verwandelter Mensch.

Orwell war kein Christ. Er war bestenfalls Agnostiker. Doch er hat scharf beobachtet und ein brillantes Buch geschrieben und die Wahrheit ist die Wahrheit, egal aus wessen Mund sie kommt.
Er stellt zum Beispiel fest, dass Politiker, die ständig das Geld der Leute umverteilen wollen, stets die Macht bei sich konzentrieren wollen.
Enteignung findet statt, Ermächtigung nicht.
Jene Politiker hingegen, die den Leuten ihren Wohlstand lassen, wollen die Macht meist auch auf viele Schultern verteilt sehen, (das nennt man dann Demokratie).
Enteignung findet nicht statt, Ermächtigung dagegen schon.
Durch Enteignung des Vermögens der vielen und Monopolisierung der Macht durch wenige wird gesellschaftliche Ungleichheit neu geschaffen und unweigerlich zementiert. Eine Nomenklatura wird gebildet—von Leuten, denen doch angeblich Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit die höchsten Ziele sind.
In Wirklichkeit geht es diesen Leuten also um den Machtgewinn und -erhalt. 
Sonst nichts.
Orwell erklärt, wie der Kommunismus totalitär werden oder an seinen Widersprüchen krepieren muss. An einer Stelle verlässt er gar den Rahmen der Romanhandlung und erfindet einfach ein Buch namens „Theorie und Praxis des oligarchischen Kollektivismus“, das der Romanheld liest, und der Leser mit ihm. Es ist eine interessante Analyse der Politik im allgemeinen und des Sozialismus im besonderen.

Es stimmt nachdenklich, dass Deutschland kein solches Buch hervorgebracht hat. Zumindest ist mir keines bekannt.
Schade.
Das hätte man dann dem Thüringer Landtag schicken können...

Kommentare

  1. Ich sehe grundsätzlich die Idee des Kommunismus deswegen als falsch, weil er davon ausgeht, daß der Mensch arbeitswillig ist. Das hat für mich jedoch erstmal garnichts mit den Machtstrukturen des Ostblocks zu tun. Russland ist heute kapitalistisch, jedenfalls vordergründig, doch an der Machtkonzentration hat sich nichts verändert. Anders ausgedrückt: Der Kommunismus war dort nicht das Problem, das Problem ist ein schräger Geist. (=> "Es gibt keine politische Lösung für ein geistliches Problem")
    Ja, bei den Linken sind wohl noch viele Ex-DDR-Funktionäre im Spiel. Ja, das ist ein Problem. Und nein, Bodo Ramelow gehört für mich nicht dazu. Ja, er ist links, von mir aus auch Kommunist (er war glaube ich auch in der DKP).
    Zum Problem "1984": Dort ist das Problem doch darin, daß jeder bis aufs letzte kontrolliert und vorallem manipuliert wird. Ich weise dich darauf hin, daß die NSA und damit die USA in Sachen "Kontrolle" weitaus schlimmer sind als die Ex-DDR-Kader. Ein vom Geheimdienst kontrolliertes Smartphone ersetzt heute eine unglaubliche Anzahl von IMs in der DDR: Es wird zur Wanze, wenn es die NSA so will. Das ist zumindest technisch möglich und so, wie die NSA derzeit agiert und unsere derzeitige Politik darauf nicht reagiert muß ich nüchtern feststellen, daß es der Politik schlichtweg egal ist. Die Geschichte zeigt, daß das, was technisch möglich ist, auch gemacht wird. Darüberhinaus sendet so ein Smartphone auch noch Bilder - die STASI konnte von solch einem Instrument nur träumen. Die jetzige thürinigsche Regierung unter Ramelow hat ein Eckpunktepapier vorgelegt, wie ich es mir schon lange von der Politik gewünscht habe (https://netzpolitik.org/2014/thueringen-koalitionsvertrag-ist-aus-netzpolitischer-sicht-gut-geworden/) - also das Gegenteil von "1984".
    Ob und was sie davon umsetzen - da bin ich (noch?) skeptisch, zumal da eben ein Ex-DDR-Kader hintendransteht.
    Andererseits: Die Tatsache, daß die Linke "dran" ist zeigt wiederum auch, daß wir noch ein bischen Demokratie (im Sinne von "echten Alternativen") haben, ob das gut oder schlecht ist, das wird sich, denke ich, zeigen. Abkriegen werden es so oder so erstmal die Thüringer.

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