Von der Lust, zu hassen

"Aber euch, die ihr hört, sage ich: Liebt eure Feinde! Tut wohl denen, die euch hassen."
Lukas 6, 27

Jesus sagte dies zu leicht entflammbaren Leuten, die die Welt in zwei Kategorien eingeteilt hatten: In Wir und Die.
"Wir" waren die Juden. Wer Jude war, war okay. Mit dem arrangierte man sich. Die "liebte" man.
"Die" waren alle anderen. Die gehörten nicht zu "Uns." Die glaubten nicht genauso wie "wir", die sahen anders aus als "wir." Die durfte man deshalb mit Hingabe hassen, was auch ausgiebig geschah.

In allen Gesellschaften gibt es Gruppen, die die Rolle des Sündenbocks zu spielen haben, auf den man eindreschen darf.
Bei den Nazis waren das die Juden. Die Deutschen mußte man mögen, die Juden durfte man hassen.
Bei den Kommunisten waren es die Bürgerlichen. Alle in der K-Partei waren okay. Alle, die Produktionsmittel besaßen dagegen, die Kapitalisten, waren der Klassenfeind, den es auszumerzen galt.
Bei den Katholiken waren die Ketzer die vogelfreie Gruppe, die wahlweise verbrannt, geköpft oder zersägt wurde.
Bei den Umweltbewegten sind es die Atombefürworter.
Fanatisierte Mohammedaner bombardieren einander und die "Ungläubigen." Das ist schierer Haß. Denn jemanden zu töten ist der Ausdruck absoluten Hasses.
Bei manchen Menschen platzt förmlich ein Ventil, wenn ihnen endlich jemand unterkommt, der zu einer Sündenbock-Gruppe gehört. Den dürfen sie dann mit Hingabe hassen.

Zu uns sagt Jesus, man solle auch seine Feinde lieben. Er befahl uns nicht, sie besonders zu mögen. Gottes Liebe hat nicht so viel mit Gefühlen zu tun. Sie tut gute Taten.
Jesus will auf jeden Fall, daß wir nicht den mentalen Fehler begehen, alle, die nicht genauso sind oder denken wie wir, herabzuwürdigen und anzufeinden, eben zu hassen.
Denn das passiert manchmal sogar unter Christen. Ich habe mich schon mit Pfarrergruppen getroffen, in denen ich, der evangelisch-freikirchliche Pastor, in anderthalb Stunden mehr beleidigt, angemacht und kritisiert wurde als in den fünf davorliegenden Jahren zusammengenommen. Natürlich sind nicht alle so. Aber manche schon.
Bei manchen knallt die Sicherung durch, wenn man über die Geistestaufe, das persönliche Pfingsten, spricht. Plötzlich wird der sanft-strenge Baptistenbruder zur feuerspeienden Furie.
Wie gibt's das?
Es scheint ganz allgemein, daß der Mensch leichter haßt als liebt. Da soll uns nicht passieren. Wir sind nicht die Weltpolizei, die alle zu richten hat, die nicht haargenau auf unserer Linie sind. Wir lassen dem anderen Luft zum schnaufen.
Amen.

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