Groll und Vergebung

"Pastor, warum ist es manchmal so schwer, jemandem zu vergeben?"

Vergeben wird oft mißverstanden. Viele denken, sie müßten ihren Groll auf den Sünder loswerden, das sei dann Vergeben.
Vergebung hat jedoch mit Gefühlen nichts zu tun. Man kann jemandem vergeben und immer noch grollen. Vergeben ist ein Rechtsakt. Wenn ich einen Schuldschein zerreiße, dann ist egal, wie ich mich hinterher fühle. Er ist dann neutralisiert.

Vergebung ist außerdem ein individueller Akt. Ich kann nur vergeben, was mir angetan wurde. Was einem anderen angetan wurde, kann ich nicht stellvertretend vergeben. Ich kann niemandem fremde Schulden erlassen. Das wäre schiere Anmaßung.
Der einzige, der umfassend vergeben kann, ist Gott. Wenn er vergibt, dann ist egal, wer mir noch etwas vorhält. Ich bin dann frei. Doch auch Gott vergibt nicht einfach so. (Sonst gäbe es keine Hölle).

Man muß Vergebung haben wollen!

Wann immer Jesus dazu aufruft, dem Nächsten zu vergeben, setzt er voraus, daß der Nächste auch Vergebung haben will:
"Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht, und wenn er es bereut, so vergib ihm."
Dazu muß er möglicherweise erst einmal glaubhaft machen, daß er tatsächlich bereut. Wiedergutmachung des Schadens, Widerruf von Verleumdungen, usw. sind hier angemessene "Werke der Buße." Tut er die nicht, macht er sich vielleicht nur lustig über mich.

Es gibt keine allgemeine Pflicht allen Bösewichten stets sofort zu vergeben und auf Strafverfolgung zu verzichten. Wir können zu Gott gehen und unser Recht einfordern. Das ist völlig in Ordnung. Jesus selber spricht von einer armen Witwe, die einem korrupten Richter schwer zusetzte, bevor er ihr Recht verschaffte. (Lukas 18, 1-8).
Paulus sagt, die Obrigkeit, wobei er in erster Linie die Judikative meint, ist für die Guten gegen die Bösen gegeben. (Römer 13).
Jesus sagt in Johannes 20, 23:
"Wenn ihr jemandem die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben, wenn ihr sie jemandem behaltet, sind sie ihm behalten."

Seelenhygiene, also das Freiwerden von Groll, ist etwas anderes als Vergeben.
Solchen Groll gegen Leute, die uns etwas getan haben, werden wir nur dann tatsächlich los, wenn wir glauben, daß Gott mit uns ist. Denn dann wissen wir, es ist egal was Menschen tun. Gott wird uns stets triumphieren lassen. Wissen wir uns nicht geborgen in Gott und unterstützt von ihm, dann tragen wir schwer am Unrecht, das uns angetan wurde.
Das ist nicht nötig.
Vielleicht ist dein "Groll" ja auch völlig unberechtigt. Etwa wenn dich jemand völlig zu recht kritisiert hat oder dich auf schlechte Leistungen angesprochen hat. Dann fühlst du dich auf den Schlips getreten. Doch niemand hat gegen dich gesündigt und niemand außer dir selber braucht Vergebung.

Wir sehen, das mit Groll und Vergebung ist ein weites Feld.

Wenn dir jemand tatsächlich etwas getan hat und du nicht zum Anwalt laufen willst, weil ein Prozeßhansel ja nun wirklich kein Zeugnis für Jesus ist, dann übergib die Angelegenheit Gott, hake sie ab und zieh deiner Wege. Seine Mühlen mahlen manchmal langsam, denn Gott gibt jedem nochmal die Chance seine Missetat zu bereuen. Doch seine Mühlen mahlen fein.

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