Standard und Barmherzigkeit

"Die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht."
Jakobus 2, 13

Daß Barmherzigkeit über Gericht--und somit Strenge--triumphiert, klingt gut.
Für den Schuldigen.
Für sein Opfer nicht.

Manchmal ist Barmherzigkeit nicht angebracht, sondern Gerechtigkeit. Ich denke da an den Kindermörder, den ein "barmherziger" Richter nach ein paar Jahren aus dem Gefängnis entließ und der prompt wieder mordete. Nun hat auch der Richter Blut an seinen Händen. Weil er Barmherzigkeit am Falschen übte.

Wir sehen schon: Per definitionen liegt die Barmherzigkeit mit dem Standard im Clinch. Der Standard ist das Gesetz, die Tradition, die Regel, gegen die der Schuldige verstößt. Die Barmherzigkeit schert sich nicht ums Gesetz, um den entstandenen Schaden oder das Opfer. Sie will Milde für den Schuldigen.
Nun ja.
Der Standard ist schon wichtig. Ohne ihn hätten wir Anarchie. Der Standard, (ein anderes Wort für Gesetz, Verfassung, codierter Gesellschaftskonsens), ordnet und regelt unser Leben. Er macht Verträge möglich, schützt unsere Rechte, ordnet die Welt für uns und erklärt sie ein Stück weit. Der Standard ist gut.
Entsprechend müssen Regelverstöße geahndet werden.
Und das werden sie auch.
Der arme Mensch auf dem Weg zum Flughafen, der in Zeitnot ist und der noch unbedingt seinen Flieger kriegen will, bekommt genauso seinen Strafzettel fürs Zuschnellfahren wie der notorische Raser, wenn er geblitzt wird. Das Gesetz macht da keinen Unterschied. Vor ihm sind die meisten gleich.

Wann ist nun Barmherzigkeit angebracht?
Sie ist dann dran, wenn der Schuldige ihrer würdig ist. Wenn er sich von seinem Vergehen distanziert und umgedacht hat. Wenn vorauszusehen ist, daß er seine Übeltaten nicht fortführt.

Entsprechend kann Barmherzigkeit immer nur individuell geübt werden, im Kleinen.
Im Großen muß der Standard beibehalten werden.
Deswegen sagt Jesus zu einer Ehebrecherin:
"Frau, wo sind sie? Hat niemand dich verurteilt? Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr." (Johannes 8, 11).
Er vergibt ihr und fordert sie gleichzeitig auf, den Standard, (in diesem Fall die eheliche Treue), aufrechtzuerhalten.

Barmherzigkeit muß die Ausnahme bleiben.
Jesus sagt zu einem Mann nämlich auch:
"Sündige nicht mehr, damit dir nichts Ärgeres widerfahre!" (Johannes 5, 14)
Das Ärgere wäre dann beim nächsten Mal das Gericht.

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