Pastor Peter--Geschichten aus der freikirchlichen Provinz

Ein letztes Donnern, dann starb der Motor und Pastor Peter schwang sich von seiner Harley Davidson. Mit langen Schritten strebte er seiner Gemeinde zu. Elder Sahib hatte ihn durch die Scheibe gesehen. Die Tür schwang auf.

"Das kann ja wohl nicht wahr sein!" brüllte der Pastor.

"Olaf hat sich gleich freigenommen und ist gekommen," sagte Elder. "Er ist schon drin und schaut nach, woran's jetzt genau liegt."

Peter stiefelte an ihm vorbei durchs Foyer.

"Und die Frauen machen ihren Gebetsmorgen oben. Da sind sie sicher," rief Elder.

Peter stoppte erst wieder an der Treppe, die hinab ins Auditorium führte. Als er den Schlamassel sah, klammerten sich sich seine Hände fassungslos ans Geländer. Es war Montagmorgen. Seine Frau hatte angerufen und es war kein Scherz gewesen.

Er fühlte Elders Hand auf seiner Schulter. Mit persischem Zungenschlag sagte der, "Ich weiß auch nicht, was ich sagen soll."

Pastor Peter blickte in einen Swimming Pool. Nur daß dieser Pool nicht mit schönen, kleinen hellen Kacheln gefliest war, sondern mit dunkelblauem Teppich. Es handelte sich nämlich um den Gottesdienstraum seiner Kirche, einer halb im Boden versenkten umgebauten Fabrikhalle im Gewerbegebiet von Elmendorf, einem an sich ehrenwerten Vorort der Stadt Schnüdelburg. Doch letze Nacht hatten hier Wahnsinnige eine zweite Sintflut veranstaltet—in seiner Gemeinde!

Die Wellen schlugen gegen die Wände. Stühle dümpelten auf den Fluten wie das Treibgut der Titanic. Eine Kongatrommel, dick wie ein Faß, leistete ihnen Gesellschaft.

Die rote Bühne ragte wie ein überdimensionierter Startblock aus dem Wasser, mit der alten Holzkanzel ganz vorne. Die stand dort braun und fest wie der Fels von Gibraltar. Die Instrumente drum herum standen alle im Trockenen.

Peters Kopf fuhr herum: die Mischpult-Insel hinten im Saal machte ihrem Namen alle Ehre. Sie ragte auf wie Helgoland im Souterrain. Die Elektronik war gerettet.

"Wer war das?"

Elder Sahib zuckte mit den Schultern. "Bis jetzt keine Ahnung. Müssen Olaf fragen."

Pastor Peters Gedanken rasten. Woher war das Wasser gekommen?

"Hallo Pastor!"

Jemand winkte ihm von einem Schlauchboot aus zu.

"Hallo Maryam," sagte er. "Fall nicht rein."

Elders Sahibs Frau war damit beschäftigt, die Stühle aufzufischen und zu stapeln. Gute Leute, die Sahibs. Sie waren in den Siebziger Jahren aus Persien geflohen, als Khomeini das Land übernahm, und waren auf mancherlei Umwegen hier in der Provinz gelandet. Nun Rentner, standen sie stets bereit, wenn Peter sie brauchte. Sie standen auch bereit, wenn er sie nicht brauchte. Sie gehörten zur "More Power Gospel Church" wie der Dampf zur Socke.

Ebenso verhielt es sich mit Yoshi Nakamura, dem besten Lobpreisleiter Japans, der, seit er vor zehn Jahren eine Deutsche geheiratet hatte, nunmehr die MPG-Church zum Kochen brachte. Bremsen quietschten. Dann kam Yoshi atemlos hereingestürzt. Die Tür seines Wagens draußen hing offen und die Warnblinkanlage blinkte, denn Yoshi neigte zum Melodram.

"Warst du das?" fragte Pastor Peter, nur um zu sehen, wie er reagieren würde.

Yoshi starrte ihn an als sähe er einen Geist. Dann schlug die Augen nieder. "Ich wollte es dir gerade beichten."

Peters Augenbraue hob sich.

"Nein, Quatsch. Bin genauso von den Socken wie du. Ehrlich."

Ein Plätschern erregte ihre Aufmerksamkeit und sie blickten aufs Wasser. Ein Taucher in voller Montur erschien. Er schob sich das Brillenoval auf die Stirn, nahm den Schnorchel aus dem Mund und grüßte freundlich. "Hallo Pastor." Es war Olaf.

Olaf war ein Allroundgenie mit mindestens drei Gesellenbriefen und einem abgeschlossenen Ingenieursstudium. Er konnte alles.

Und Olaf nahm seine Aufgaben sehr ernst.

Seine Schwimmflossen patschten auf der Treppe, als er heraufstapfte. "Das Wasser steigt nicht mehr," sagte er. "Sinken tut's aber auch nicht. Pegelstand einskommasechsundfünfzig vorn und einsdreiundsiebzig hinten. Weißt du, wo der Schlauch mit dem Wasserhahn hinter der Bühne plötzlich herkommt? Der war letzte Woche noch nicht da."

Peter wandte sich zu Elder Sahib.

Der breitete die Arme aus. "Ich weiß von nichts."

Pastor Peter versuchte zu kombinieren. "Hinter der Wand da stecken die Hochcontainer vom Sorgenbock," sagte er. Die Lagerstätten der Brauerei befanden sich in der Tat gleich jenseits der Wand, auf die er deutete. Man war eng verbunden miteinander, hier im Industriegebiet. "Yoshi, hast du probiert, die anzuzapfen?"

"Erstens trinke ich kein Bier," sagte Yoshi, "und zweitens schwimmt deine Gemeinde in Wasser, und nicht in Gerstensaft."

Elder kicherte.

Pastor Peter kombinierte wieder. "Das Wasser kriegen wir heute nicht mehr hier raus."

"Amen," sagte Olaf ernst.

"Machen wir also das beste draus." Er wandte sich an den Perser. "Elder, Maryam paddelt dich rüber ins Büro. Dort liegt die Adreßliste von den sieben Neuen, die sich im letzten Vierteljahr bekehrt haben. Ruf sie an und bestelle sie für achtzehn Uhr. Wir machen einen Taufgottesdienst. Es wird eh Zeit. Vielleicht winkt der Herr uns hier mit dem Zaunpfahl."


Um sechs an diesem Montagabend saßen die sieben Täuflinge auf der trockenen Plattform und lauschten Pastor Peters Ausführungen zur Taufe. Eine ganze Reihe von Gemeindemitgliedern hatte Wind von der Sache bekommen und hatte sich auch eingefunden.

"Es gibt insgesamt drei Taufen, die ein Christ erleben sollte," sagte der Pastor, auf dem still alle Augen ruhten. "Die erste ist die in den Leib Christi hinein. Die findet statt, wenn man sich für Jesus entscheidet. Dann ist man ein Teil seines Leibes. Erster Korinther zwölf spricht davon.

Die zweite Taufe ist die mit Wasser, die wir heute vollziehen werden. Sie ist das äußerliche Symbol für das, was in euren Herzen passiert ist. Innerlich seid ihr auferstanden. Eure Sünden sind vergeben und ihr habt neues Leben vom Herrn empfangen. Ihr seid von neuem geboren. Die Wassertaufe zeichnet das nach. Ihr werdet untergetaucht zum Zeichen eurer Beerdigung und wieder raufgeholt zum Zeichen eurer Auferstehung.

Die dritte Taufe ist die mit dem Heiligen Geist. So, wie die Jünger an Pfingsten erfüllt wurden mit Kraft aus der Höhe, tauft Gott auch heute noch seine Kinder mit seinem Geist."

Dann machten sich Elder Sahib und Pastor Peter an die Arbeit. Sieben weißgewandete Christen--eine Familie und deren Verwandte--verschwanden in der Flut und tauchten wieder auf, während Yoshi und seine Frau ein selbstkomponiertes Tauflied sangen. Es klang ein wenig wie ein Sauflied, die Vibrations waren jedoch schön und rein und auf den Herrn ausgerichtet. Alle tanzten, und Elders Sahibs Frau Maryam empfand an damals, wenn sie wirklich gewollt hätte, hätte sie auch auf dem Wasser tanzen können, so schön war dieser Abend gewesen.


Der Vermieter der MPG-Church wußte mehr darüber, wie das Meer in die Gemeinde gekommen war, er wollte jedoch nicht darüber reden. Da er ein Ehrenmann war, legte das Auditorium bis Sonntag trocken, bezahlte den verursachten Schaden, und niemand redete mehr über die Sache.

Pastor Peter wurde aber den Verdacht nicht los, daß die Brauerei Sorgenbock und ihre Vorräte etwas damit zu tun gehabt hatten...


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Nicht nur die More Power Gospel Church, auch das CGZ veranstaltet eine Taufe, am 19. Juli am Baggersee. Details folgen.

Kommentare

  1. huhuuu, was ist denn das für eine heiße Story?! :-)

    liebe Grüße, Eva (word.art.work@t-online.de)

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